„Stolpere nicht über etwas, was hinter dir liegt“ Fotos: ©Yvonne Jung Fotografie Das Leben bedeutet oftmals die Auseinandersetzung mit Überraschungen – nur leider sind diese nicht immer positiv. Wir alle müssen früher oder später mit Schicksalsschlägen umgehen. Seien es der Tod einer nahestehenden Person, eine Krankheit oder andere Umstände. Schicksalsschläge sind ein schwieriges Thema. Niemand setzt sich gerne damit auseinander. Umso beeindruckender sind die Menschen, welche offen über die Tiefschläge ihres Lebens sprechen. Die sich glücklich auch nach traurigen harten Zeiten zeigen. Einen mutigen Menschen wollen wir in dieser Ausgabe vorstellen. Jana Momeni ist Mutter, Vorbild und Überlebende. 24 CITYGLOW
Fotos: ©Yvonne Jung Fotografie Über. Leben. Eine Überlebende berichtet. brca.2018.hamburg.de Vor 27 Jahren zog es sie aus Dresden nach Hamburg. Aufgewachsen in der ehemaligen DDR, beschreibt sie ihre Kindheit als sorgenfreie und liebevoll. Mit 15 Jahren musste sie mit der ersten großen Krise ihres Lebens kämpfen: Ihr Vater verließ morgens das Haus und wurde Tage später unter einer Schneedecke begraben gefunden. Ein Schicksalsschlag, der tiefe Spuren hinterließ. Trotz allem musste sie stark sein, für sich und ihre Familie. Im Interview erinnert sie sich genau: „Unsere Mama bekam mit 32 Jahren die Diagnose Brustkrebs. Ich war 24 Jahre alt, als sie 12 Jahre später aufgehört hat zu atmen. Warum erzähle ich davon? Meine Eltern in so jungen Jahren verloren zu haben, ist Teil dessen, was ich heute bin, wo ich stehe, was ich fühle. Heute, vier Jahre nach meiner eigenen Diagnose hat das Wort „Brustkrebs“ für mich zum ersten Mal an Schwere und Angst verloren. 2007 habe ich durch einen Gentest von meiner BRCA2-Mutation erfahren. Ab da wusste ich, ich werde ebenfalls Brustkrebs bekommen. Die Frage war nur: Wann? Heute kann ich zurückschauen auf einen Weg, der mich unglaublich sicher und stark gemacht hat. Meine Entscheidung, mich von meinen Brüsten zu trennen, habe ich klar und ohne überlegen zu müssen, getroffen. Ein Brustaufbau kam für mich nie in Frage. Zu präsent habe ich noch immer das Leid meiner Mama vor Augen - die vielen Operationen. Klägliche Versuche für künstlichen Ersatz. Meine Töchter sollten diesen Schmerz und die Sehnsucht nach ihrer Mama, so wie ich sie noch heute fühle, niemals erleiden. Für sie bin ich an erster Stelle Vorbild und stark wie eine Löwin. Das BR- CA2-Gen ist vererbbar. Als Mutter kann ich nicht die Augen vor dem erhöhten Risiko einer Erkrankung in unserer Familie verschließen. Vielmehr möchte ich alles dafür tun, Ängste und Sorgen zu nehmen und informiert zu sein über die neuesten Erkenntnisse. Wachsam und achtsam sein und dem Krebs immer einen Schritt voraus. Ich gebe der Krankheit ein Gesicht und Hoffnung. Ich appelliere an die nötige Vorsorge und regelmäßiges Abtasten der Brust. Denn nur durch Früherkennung kann Brustkrebs heilbar sein. Frauen sind Partnerinnen, Mütter, Töchter, Schwestern, Freundinnen und jede einzelne ist eine zu viel, um deren Verlust wir lebenslang weinen. Die ersten Worte, die meine Tochter nach der OP für mich fand, waren: „Mama, deine Narben sehen aus wie ein Schmetterling.“ Meine Weiblichkeit wird nicht nur über die Brust definiert. Narben lösen Emotionen aus und erregen oft Mitleid. Beim genauen Betrachten meiner Bilder kann man meine Lebensenergie spüren. Ich habe mein Schicksal akzeptiert und bin nicht daran zerbrochen. Mein offener Umgang mit der Diagnose Brustkrebs macht vielen betroffenen Frauen Mut und nimmt ihnen Ängste und Zweifel. Die Bewunderung dafür, meine Narben sichtbar zu machen, hat mir wiederum unglaublich viel Kraft gegeben. Das ist ein langer Prozess der Heilung und benötigt grenzenlose Geduld und Zeit. Hinter dieser Sicherheit und dem nötigen Selbstvertrauen stehen mittlerweile über 50 Jahre Lebenserfahrung. Ich bin eine ganz normale Frau, mitten im Leben stehend. Eine Frau ohne Brüste. Heute bin ich gesund und kann das Leben dankbarer annehmen, spüre den Wind und Regentropfen auf meiner Haut viel intensiver und weiß jeden einzelnen Moment im Leben noch mehr zu schätzen. Auf meinem Instagram-Account (brca.2018.hamburg.de) geht es schon lange nicht mehr nur um Krebs. Es geht um Selbstvertrauen, Toleranz und all die normalen Momente, für die ich mein Leben liebe. Als Botschafterin möchte ich Vorbild sein und Frauen ein Lebensgefühl vermitteln, sich zu akzeptieren und so anzunehmen, wie sie sind. Weg von Schönheitsidealen - wir sind mehr als lange Haare, Brüste, Bauch, Beine und Po. Wir Frauen haben es heute viel leichter als die Generationen vor uns. Und trotzdem stehen noch immer Worte wie: „Das kann ich meinem Mann doch nicht antun“ im Raum. Wir müssen weg davon, was andere über uns denken und uns endlich selbst wichtig nehmen. Keine Frau sollte sich schämen nur eine oder gar keine Brust zu haben. Vielmehr sollte sie stolz auf ihren Körper sein, was er in der schwierigen Zeit von der Diagnose bis hin zur Genesung alles aushalten und letztendlich schaffen konnte. Hochwertige Prothetik und schöne Wäsche sind mittlerweile bestens und speziell auf unsere Bedürfnisse abgestimmt, helfen und unterstützen uns auf dem Weg zur Heilung und Akzeptanz. Wir müssen lernen, die Dinge anzunehmen und dann kommt es von ganz allein - das Licht am Ende des Tunnels.“ CITYGLOW 25
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